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Durch Storytelling kann Content Marketing Emotionen erzeugen und eine Bindung zu einer Marke herstellen. Die kanadische Fluggesellschaft WestJet hat davon letztes Jahr zu Weihnachten Gebrauch gemacht und ihre Kunden mit personalisierten Geschenken überrascht. Daraus ist ein emotionales Video entstanden, über das auf einer Vielzahl von nationalen und internationalen Newsportalen berichtet wurde und bis heute mehr als 35 Millionen Views auf YouTube erreicht hat.

Storytelling-Blog (1)

Die gleiche Geschichte, nur anders erzählt

Interessanterweise hat die spanische Fluggesellschaft Spanair drei Jahre zuvor eine sehr ähnliche Aktion gestartet. Auch sie haben ihre Gäste mit personalisierten Geschenken auf dem Gepäckband überrascht und daraus ein Video erstellt und 389.000 Views bei YouTube erzielt.

Beide Airlines erzählen im Prinzip die gleiche Geschichte. Die Gäste begeben sich auf einen ganz normalen Flug und als sie am Zielort am Gepäckband stehen kommen statt Koffern und Taschen die Geschenke herunter. Die Gäste sind überrascht und freuen sich riesig.

Grundsätzlich sind knapp 390.000 Views kein schlechtes Ergebnis für ein Marketing Video. Außerdem liegen zwischen den beiden Videos drei Jahre, was in Internetzeit eine Ewigkeit ist. Trotzdem gibt es einige Unterschiede mit Bezug auf die Aufbereitung der beiden Storys, auf die ich in diesem Beitrag eingehen möchte.

 

Sound als Emotionsträger

Der auffälligste Unterschied liegt im Sound. Sound ist ein starker Emotionsträger, der Atmosphäre schafft und Stimmung erzeugt. Spanair nutzt unweihnachtliche Gitarrenmusik und  natürliche Geräusche, wie das Summen der Motoren, das Quietschen des Gepäckbandes und das allgemeine Gemurmel der Passagiere. Es gibt keinen Sprecher, sondern die Geschichte wird per Texteinblendungen in drei kurzen Sätzen erzählt.

  1. Am 24. Dezember kam unser Flug von Barcelona nach Las Palmas kurz vor Mitternacht an.
  2. 190 Passagiere waren im Flugzeug, während alle anderen Weihnachten feierten.
  3. Wir wollten etwas besonderes machen, um ihnen die Nacht zu versüßen.

WestJet hingegen hat einen Sprecher, der wie der Weihnachtmann klingt und die Geschichte in Gedichtform begleitet. Damit adaptieren sie das berühmte „T’was a Night before Christmas“. Die Musik ist extrem weihnachtlich, von Glockenklängen bis hin zu „Santa Claus is coming to Town“. Es gibt verschiedene Tracks, die mit Bedacht eingesetzt werden und die Story unterstützen.

Auch WestJet benutzt natürliche Geräusche, wie das Summen der Motoren und die Ansage des Stewarts, dass sie gleich landen werden, aber diese natürlichen Geräusche werden sparsam und geschickt eingesetzt, so dass sie die die Story voran bringen. Außerdem nutzen sie O-Töne der Passagiere und Mitarbeiter. Damit ist der Zuschauer nah an den Erlebnissen der Passagiere.

 

Beziehungsaufbau mit den Charakteren

In beiden Videos spielen die Passagiere die Hauptrolle. Die Mitarbeiter sind die Helfer, die die Geschenke organisieren und verpacken. Die Airlines stehen für den Weihnachtsmann, der all das möglich macht. Jedoch ist es bei dem WestJet Video einfacher eine Beziehung zu diesen Charakteren aufzubauen, denn sie werden besser in Szene gesetzt.

Im Gegensatz zu Spanair hat WestJet mehr Komponenten in der Geschichte. So werden die Passagiere im Boardingbereich von einem virtuellen Weihnachtsmann angesprochen und gefragt, was sie sich denn so zu Weihnachten wünschen. Dadurch lernen wir die Gäste kennen. WestJet hat einen richtigen Weihnachtsmann, der die Fluglinie repräsentiert und die Gäste in lustige Gespräche verwickelt. Damit etabliert die sich die kanadische Fluggesellschaft als locker und zugänglich und ist aktiver Teil der Geschichte. Bei Spanair hingegen spielt die Airline nur in Form von Bildern von Flugzeugen eine Rolle und die Passagiere sehen wir am Anfang nur, wie sie schlafend und gelangweilt in ihren Sitzen sitzen.

Auch die Mitarbeiter werden bei WestJet viel stärker in die Geschichte einbezogen, was der Airline als Ganzes ein Gesicht gibt. Die „WestJetters“ haben sich (lt. Geschichte) freiwillig gemeldet und werden dabei gezeigt wie sie alles geben, um die Wünsche ihrer Gäste wahr werden zu lassen. Auch wenn es sehr stressig ist, haben sie eine Menge Spaß während sie die Geschenke kaufen und verpacken. Außerdem kommen sie und der Weihnachtsmann am Schluß zum Gepäckband, sodass die Gäste sich persönlich bedanken können.

Bei Spanair hingegen spielen die Mitarbeiter fast gar keine Rolle. Wir wissen nicht ein mal, ob es überhaupt Mitabeiter sind, die die Geschenke verpacken. Spanair ist im Gegensatz zu WestJet „gesichtslos“ und spielt einen passiven Teil in der Geschichte.

 

Emotionen durch Kindheitserinnerungen

Eigentlich zielen beide Geschichten auf Kindheitserinnerungen und den Zauber von Weihnachten ab. WestJet allerdings viel intensiver als Spanair. Das beginnt damit, dass WestJet am Anfang kleine Helferlein darstellt, die im dunklen und verborgenen alles vorbereiten und geht weiter mit der Interaktion mit dem Weihnachtsmann, der sich die Wünsche notiert. Außerdem ist der Zielort aufwändig geschmückt, genauso wie man es von Weihnachten gewohnt ist. Bei Spanair hingegen sind die Geschenke das einzig weihnachtliche.

 

WestJet kreiert ein Wunder, Spanair eine kleine Überraschung

Beide Marketingaktionen sind gut gemacht. Jedoch hat WestJet die Situation insgesamt zauberhafter und wundervoller dargestellt als Spanair. Der Aufwand war sicherlich auch um einiges höher, hat aber im Endeffekt auch zu viel mehr Views und Berichterstattung geführt.

Die beiden Videos zeigen im Vergleich, wie unterschiedlich die gleiche Story aufgebaut werden kann. Durch die intensivere Darstellung der Charaktere können die Zuschauer eine Bindung aufbauen. Die weihnachtliche Dekoration gibt dem ganzen einen starken visuellen Rahmen. Das wichtigste ist meiner Meinung nach allerdings der Sound durch den Emotionen transportiert werden. Story ist also nicht gleich Story, es kommt darauf an, wie sie aufbereitet wird.

Neben der Aufbereitung kann auch das Seeding bzw. Outreach  einen Unterschied ausgemacht haben, was sich aber im Nachhinein im Vergleich nur schwer darstellen lässt.

Zu Svenja Hintz

Svenja Hintz ist freie Autorin für Aufgesang und beschäftigt sich leidenschaftlich mit der Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft. Während ihres BA Comparative Media studierte sie unter anderem die Geschichte der Medientechnologien, die Bedeutung und der Aufbau von Inhalten (insbesondere Semiotik und Storytelling) sowie die Rahmenbedingungen der Netzwerkgesellschaft. Mit ihrem MA Social Research lernte sie das Handwerk empirischer Sozialforschung und setzte ihren Fokus dabei auf die qualitative Analyse von Inhalten. Als Quereinsteiger ist sie seit 2011 in der SEO-Branche tätig.

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