Marketing hat sich insbesondere durch das Internet in den vergangenen 20 Jahren rasant weiterentwickelt. Und das muss es auch, da klassische Werbung ohne emotionalen Bezug zu Produkt und/oder Marke oft ignoriert wird und die Akzeptanz gegen Null verläuft. Das Reichweiten-Paradigma, dem bisher im Marketing gefolgt wurde, hat zu einer Inflation der Werbeakzeptanz geführt. Der Gegentrend ist Werbung, die man nicht direkt als Werbung erkennt (Below-the-line) in Form von z.B. Guerilla-Marketing, SEO, Eventmarketing, Product-Placement, Öffentlichkeitsarbeit (PR), viralem und hochwertigem Content. Um zu verstehen wo sich das Marketing der Zukunft hin entwickelt, hilft es die vergangenen 60 Jahre Marketing Revue passieren zu lassen.
Die Geschichte des Marketings
In der Nachkriegszeit der 50er Jahre bestand eine große Nachfrage an Gütern. Hier lag der Schwerpunkt des Marketings auf der Produktion um die große Nachfrage zu befriedigen. Die 60er Jahre wurden durch vertriebsorientiertes Marketing bestimmt. Die Werbung über Radio, TV und Print wie wir sie in den den letzten 50 Jahren kennengelernt haben trat in den 60er Jahren den Siegeszug an. Mit zunehmendem Wettbewerb rückte die Werbung immer mehr in den Mittelpunkt des Marketings. Mit dem privatisierten Fernsehen und der steigenden Anzahl an Print-Publikationen stieg die Frequenz und Menge der Werbung extrem an. Deswegen war es auch kein Wunder, dass in den 80er und 90er Jahren die Werbeagenturen wie Pilze aus dem Boden keimten. Der zunehmende Einfluss der Börsen bzw. Aktien auf Unternehmensentscheidungen und dadurch kürzer werdende Produktlebenszyklen feuerten die Werbewirtschaft zusätzlich an. Das führte bereits ab den 90er Jahren zu einer zunehmenden Ignoranz bezüglich Werbung. Um dies zu kompensieren wurden neue Marketing-Möglichkeiten wie PR, Event-Marketing und Product-Placement etabliert, die die klassische Werbung below-the-line unterstützen sollten.
Und dann kam das Internet.
Werbeagenturen nahmen das neue Medium als zusätzlichen Kanal in ihr „Reichweiten-Portfolio“ auf, begriffen aber bis vor ein paar Jahren nicht, dass Marketing im Internet ganz neue Möglichkeiten in puncto Messbarkeit und Interaktion bietet.
Die Anfänge des Online Marketings, auch von mir gerne als „Online-Marketing 1.0“ bezeichnet wurden vor rund 15 Jahren durch das „Online Marketing 2.0“ bzw. Performance Marketing abgelöst. Die Reichweiten-Währung Tausender-Kontakt-Preis (TKP) wurden ergänzt/ersetzt durch Pay-Per-Click (PPC)-Modelle. Google ist mit seinem Werbesystem der Vorreiter in der PPC-Werbung gewesen und beherrscht seit Jahren den Markt. Suchmaschinenmarketing im Allgemeinen (SEO und SEA) hat sich in den letzten 15 Jahren zu einer der dominierenden Online-Marketing-Disziplin entwickelt.
Durch die Entwicklung in den letzten 15 Jahren wird (Online-) Marketing auch immer technischer und analytischer. Die klassischen Werbeagenturen, die den Schwerpunkt in der Kreativität und Konzeption hatten, waren nicht mehr in der Lage die neuen Herausforderungen zu leisten. Die Zeit der Online-Marketing-Agenturen war gekommen.
Die Kreativität wurde im Online-Marketing zugunsten Web-Analyse und neuen Tracking-Methoden vorerst in den Hintergrund gedrängt. Dass das Internet mehr kann als einen einseitigen Monolog zu führen, wurde erst durch das aufkommende Web 2.0 und schnelleren Internet-Verbindungen entdeckt. Es erblickten vorerst von der breiten Masse ungeachtete neue Marketing-Disziplinen wie Viral- oder Word-of-Mouth-Marketing das Licht der Welt. Hier ist wiederum Kreativität durchaus gefragt.
Als ich im Rahmen meiner Diplomarbeit 2006 einer Konferenz zum Thema Viral- und Word-of-Mouth-Marketing in Hamburg (Podlounge 2006) beiwohnte, hatten sich gerade mal 50-60 interessierte Gäste eingefunden. Zu dieser Zeit befanden sich die heute großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Youtube noch in der Entwicklung bzw. spielten international noch keine große Rolle. Durch die gesellschaftliche Durchdringung von sozialen Netzwerken wie Facebook oder Youtube rückte das Thema immer mehr in den Vordergrund. Social-Media-Marketing war geboren.
Manfred Bruhn hat die historische Entwicklung des Marketings übersichtlich in folgende Abschnitte eingeteilt:
- Produktorientierung in den 1950ern (reine Produktion; aufgrund enormer Nachfrage in der Nachkriegszeit)
- Verkaufsorientierung in den 1960ern (von der Produktion zum Vertrieb)
- Marktorientierung in den 1970ern (Marktsegmentierung; Spezialisierung auf einzelne Bedürfnisse)
- Wettbewerbsorientierung in den 1980ern (Betonung von Alleinstellungsmerkmalen)
- Umfeldorientierung in den 1990ern (Reaktion auf ökologische, politische, technologische oder gesellschaftliche Veränderungen)
- Dialogorientierung ab 2000 (interaktive Ausrichtung der Kommunikation durch Internet, E-Mails)
- Netzwerkorientierung ab 2010 (Web 2.0, soziale Netzwerke, Word-of-Mouth)
Quelle:Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Marketing
Über die Jahrzehnte wurden die klassischen Marketing-Kanäle durch neue ergänzt. Doch der Fokus auf die Vermittlung von Werbeslogans, USPs und Informationen zu Marken und Produkten blieb bis nach der Jahrtausendwende nahezu gleich. Das nachfolgende Infografik soll die Weiterentwicklung des Marketings von Push zu Pull bzw. Above-The-Line zu Below-The-Line von den 50er Jahren bis heute verdeutlichen. Die Zuordnung der einzelnen Epochen im Zeitstrahl haben keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit.
Von Werbung zu Content
Bis dato stand immer die Werbung als Push-Kanal im Mittelpunkt von Marketing-Kampagnen. Doch die jahrzehntelange Fokussierung auf Reichweite und Push-Werbung hat zu Werbeblindheit geführt. Während in den 60er-90er Jahren Werbespots und Anzeigen noch für Aufmerksamkeit und emotionale Aufladung einer neuen Marke oder eines Produkt führen konnten, wird das immer seltener. Werbung für emotional aufgeladene Produkte oder Marken wie z.B. Apple funktionieren heutzutage immer noch. Die emotionale Aufladung der Marke wird aber nicht primär durch Werbung erlangt, sondern durch die Produkte selber. Man muss hier nicht mehr mit USPs und anderen Gründen werben warum man z.B. ein Apple Produkt kaufen sollte.
Es gibt Produkte, die beinhalten aufgrund Ihrer Art bereits Emotionalität und auch Viralität (siehe dazu Emotionalität und Viralität von Produkte wichtig für SEO & Social Media Marketing ). I.d.R. sind aber insbesondere neue Produkte und Marken erstmal emotional neutral bzw. unaufgeladen. Unaufgeladene Produkte und Marken wird man heutzutage alleine durch Werbung nicht emotional aufgeladen bekommen. Die letzten Jahre zeigen, dass hier eine Verlagerung der Schwerpunkte stattfinden muss. Das Umdenken von Off- zu Online scheint sich gut zu entwickeln wie der Shift der Marketingbudgets zeigt.
In der Zukunft wird es umso wichtiger auch inhaltlich umzudenken und den Fokus zu verschieben. Above-The-Line-Marketing bzw. -Werbung wird nicht mehr im Mittelpunkt des Marketings stehen. Wo in der Vergangenheit versucht wurde Branding bzw. Emotionalität über Werbung zu erzeugen, muss zukünftig über Below-The-Line bzw. Inbound-Marketing-Maßnahmen die Vorarbeit geleistet werden, sonst verpufft Werbung.
Z.B. über Guerilla-, Content- oder wie im Fall Red Bull Event-Marketing ist es möglich. Beim Beispiel Red Bull kann man sich darüber streiten, ob es sich die Aktionen nun um Event-Marketing, Sponsoring oder Content-Marketing handelt. Für mich ist das Event um den Sprung aus dem Weltall von Felix Baumgartner auch Content-Marketing, da es dazu gedient hat medialen Content zu erzeugen (einen sehr lesenswerten Artikel von Andy Lenz zum Thema Warum Marken zu Medien und Medien zu Marken werden auf t3n ). Aber egal wie man es nennt. Es hat zu einer enormen Aufmerksamkeit und emotionalen Aufladung passend zum Slogan Red Bull verleiht Flügel geführt. Da wundert es mich nicht warum Red Bull die klassische Werbung zugunsten solcher Aktionen auf Eis gelegt hat.
Hat man es einmal geschafft Produkt und oder Marke emotional aufzuladen, macht es durchaus Sinn im Nachgang klassische Werbung wie TV-Spots, Print-Werbung oder auch Display-Werbung über z.B. Remarketing Kampagnen zu forcieren. Die Werbung wird durch den vorhandenen emotionalen Bezug beachtet werden. Sie steht aber nicht mehr an erster Stelle bzw. im Mittelpunkt.
Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht diesen Fokus-Wechsel im Marketing:
Komplexität, Kreativität, Technik, Analyse: Herausforderungen für das Marketing
Die Entwicklung in den letzten 50 Jahren zeigt deutlich den gestiegenen Komplexitätsgrad im Marketing. Während in der großen Zeit der Push-Werbung die Produktion kreativer Kampagnen im Mittelpunkt stand, wurden durch das Online Marketing Technik und Analyse immer wichtiger.
Zudem sind über die Jahre eine Vielzahl an neuen Marketing-Kanälen und teilweise sehr komplexe neue Marketing-Disziplinen dazu gekommen wie SEO, SEA, Web-Analyse oder auch benachbarte Bereiche wie Conversion-Optimierung, die einen hohen Spezialisierungsgrad bedürfen. Die Kunst wird es sein die für das jeweilige Projekte relevanten Methoden zu identifizieren und für die professionelle Umsetzung Kompetenzen in den Bereichen Kreation, Analyse und Technik zu bündeln.
Soziale Netzwerke sind neben Suchmaschinen die wichtigsten Gatekeeper für Informationen. Social Media bedarf Kreativität, um die kurze Aufmerksamkeit der Nutzer zu erreichen.
Desweiteren wird eine große Aufgabe darin bestehen die einzelnen Marketing-Maßnahmen in Beziehung zueinander zu setzen und den Beitrag jeder einzelnen Maßnahme zum Ganzen zu erfassen. Dieser Datenmengen Herr zu werden und die Interpretation wird dem Berufsbild des Marketing-Analysten neues Gewicht geben (Stichwort: Big Data). Bisher hat jede Marketing-Disziplin ihr eigenes Süppchen gekocht. Zusammengefasst lässt sich das Marketing der Zukunft mit folgenden Attributen beschreiben:
- Ganzheitlich / Multi-Channel
- Kreativ / Emotionalisierend
- Analytisch
- Technisch
- Professionell / Hoher Spezialisierungsgrad
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6 Kommentare
Nun ja, guter Überblick, aber für Eingefleischte nicht viel Neues. Ich empfehle dem Autor – bitte nicht eingeschnappt sein – seine Texte redigieren/ lektorieren zu lassen, es finden sich einige Tipp-,Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehler.
Hallo Claudia, danke für die Kritik was die Rechtschreibung etc. angeht. Mir ist bewusst, dass das meine Achillesferse ist. Der Beitrag ist bereits ein Jahr alt und bei den vielen Beiträgen zum Thema Content-Marketing in 2013 mag es wohl für „Eingefleischte“ jetzt nichts neues mehr sein 😉
Wenn hochwertiger content im Zentrum des online-Marketinmgs stehen soll, stellt sich doch die Frage, welches Personal dann für diesen content sorgen soll.
Hallo Herr Vennemann,
das kann intern aufgehangen sein wie in dem aus dem Beitrag verlinkten Artikel bei t3n beschrieben, aber genauso von Content bzw. PR Agenturen wie wir es sind umgesetzt werden.