Die Zusammenarbeit mit SEO-Dienstleistern bzw. SEO-Agenturen kann durchaus sinnvoll sein. Doch was tun wenn man schlechte Erfahrungen mit der SEO-Agentur macht bzw. gemacht hat?
Wir sind schon vor etwas längerer Zeit mit dem Beitrag SEO-Agentur Auswahl: Abzocke vermeiden! Tipps&Checkliste zum Download auf die Machenschaften einiger unseriöser Anbieter am Markt eingegangen. Doch was kann man als Kunde tun, wenn die aktuelle SEO-Agentur nicht das macht, was sie in der Akquise-Phase großmundig versprochen hat. Der folgende Gastbeitrag von Peter Hense von Spirit Legal aus Leipzig beschäftigt sich mit der Frage welche rechtlichen Möglichkeiten Kunden bei schlechten Erfahrungen mit der eigenen SEO-Agentur zur Verfügung stehen. Viel Spass beim Lesen!
Inhaltsverzeichnis
- 1 Rechte von Auftraggebern beim Umgang mit SEO-Dienstleistern
- 2 „Platz 1 bei Google“ – Vom Umgang mit Kundenwünschen und verbindlichen Erfolgsversprechen
- 3 Chaos wird teuer – Bei Sachverhaltsermittlung durch den Rechtsanwalt ist gute Dokumentation entscheidend
- 4 „Meine AGB habe ich von Google“ – Was gute Verträge und guter Code gemeinsam haben
- 5 The Honeymoon’s Over: Now What? – Wann gibt es Kündigung, Rücktritt und Schadensersatz?
- 6 Rechtmäßigkeit als „eiserne Pflicht“ der Agentur – Was umfasst das Pflichtenprogramm aus dem Agenturvertrag?
- 7 Black Hat heißt Geld weg – Vom Wert der Vorauskasse
Rechte von Auftraggebern beim Umgang mit SEO-Dienstleistern
Als deutscher Suchmaschinenoptimierer („der SEO“) hat man es nicht gerade leicht. Das lukrative Geschäft mit dem Linkaufbau wird immer schwieriger, die Effektivität wird immer wieder angezweifelt, die eigene Zukunft ist unsicher. Ständig kommt Matt Cutts auf verrückte Ideen und droht auf Twitter an, mühsam aufgebaute Linknetzwerke auszuknipsen und die Kommunikation mit den Webmastertools von Google ist auch eher eindimensional: Strammstehen, Abstrafung empfangen und dann ab in die Ecke und schämen. Manuelle Strafmaßnahmen von Googles „webspam team“ sind jedenfalls nicht gerade der angenehmste Teil des Jobs.
Noch wesentlich unangenehmer ist es jedoch, den eigenen Kunden erklären zu müssen, warum die betreute Website, warum der tolle Shop oder Blog plötzlich derart an Sichtbarkeit verloren hat, dass ernsthafte wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen sind. Mancher Unternehmer stellt dann vielleicht nicht nur die berechtigte Frage nach der Nachhaltigkeit seiner Investitionen in Suchmaschinenmanipulation, sondern auch nach der Verantwortung der Agentur für die durch „Penalties“ ausgelösten Verluste. Im schlimmsten Fall will der Kunde nicht nur den Vertrag kündigen und sein Geld zurück, sondern auch Schadensersatz.
„Platz 1 bei Google“ – Vom Umgang mit Kundenwünschen und verbindlichen Erfolgsversprechen
Wenn Auftraggeber unzufrieden mit einer Agenturleistung sind, bestimmen sich die Handlungsmöglichkeiten zunächst einmal ganz konkret aus dem abgeschlossenen Vertrag inklusive aller Nebenabreden und späteren Ergänzungen.
Ein Schwerpunkt der Prüfung von Ansprüchen bei enttäuschender Agenturleistung ist die Frage, ob es sich um einen Werkvertrag, bei dem konkrete Erfolge versprochen werden, oder um einen Dienstvertrag handelt, bei dem der Beauftragte nur im Rahmen seiner Möglichkeiten irgendeine Tätigkeit entfalten muss, von der der Auftraggeber annimmt, dass sie sinnvoll sind.
In welche Kategorie ein Vertrag fällt, bestimmt sich aber nicht nach der Überschrift des Vertrags, sondern aus den konkreten Vereinbarungen, aus einer den unklaren Vertrag begleitenden E-Mail, oder aber, im Idealfall, anhand einer konkreten und detaillierten Leistungsbeschreibung für die Agentur. Je konkreter die Ziele benannt sind und je stärker die Agentur für die Erfüllung dieser Zielvorgaben einzustehen verspricht, desto eher handelt es sich um einen Werkvertrag.
Natürlich enthalten viele Verträge einen bunten Straß an Verpflichtungen, es werden dienst- und werkvertragliche Elemente gemischt, garniert mit ein bisschen Mietrecht, z.B. beim Hosting.
Die bloße AdWords-Account-Betreuung ist reine Dienstleistung, das Versprechen einer SEO-Analyse oder einer SEO-On-Site-Optimierung hingegen eher ein Werkvertrag, wenn auch mit unklaren fachlichen Standards. Ebenfalls werkvertraglich einzuordnen und damit potenziell gefahrgeneigter sind Tätigkeiten wie Link-Kauf und Keyword-Recherche, konkrete Pagerank-Versprechen und die Erstellung von SEO-Texten, aber auch der immer wieder anzutreffende unsinnige Werbeclaim „Wir bringen Sie auf Platz 1 bei Google“.
Chaos wird teuer – Bei Sachverhaltsermittlung durch den Rechtsanwalt ist gute Dokumentation entscheidend
Aus Sicht von Rechtsanwälten wird die Prüfung der Rechtslage vor allem dadurch erschwert, dass Online-Marketing-Experten und Seiteninhaber nicht dazu tendieren, Absprachen in akzeptabler Form beweisbar festzuhalten. Oft lese ich Chat-Protokolle, E-Mails, SMS und andere Arten schmerzvoll grammatikalisch verunstalteter Kommunikation, denen plötzlich neben vielen LOLs und Emoticons harte Absprachen zu Abnahmeterminen oder Zahlungsfristen entnommen werden sollen. Wenn jedoch bereits die Ermittlung des Sachverhalts sehr zeitaufwändig ist und zudem die Themen echtes Expertenwissen erfordern, dann wird die Dienstleistung der beauftragten Anwälte in diesem Zusammenhang nicht gerade günstiger. Als Daumenregel muss man sagen, dass es sich bei komplexen Verfahren erst ab einem Zahlungsanspruch von EUR 10.000 aufwärts lohnt, Anwälte und Gerichte zu bemühen. Ansonsten ist man schnell mehr Anwaltskosten los, als man am Ende Einnahmen zu verzeichnen hat. Eine gute Dokumentation hilft aber bereits, Kosten zu sparen.
„Meine AGB habe ich von Google“ – Was gute Verträge und guter Code gemeinsam haben
Auftraggeber und Auftragnehmer sollten daher darauf achten, gute Verträge zu schließen. Gute Verträge müssen nicht immer lange und teure Verträge vom Anwalt sein. Es ist oft ausreichend und mitunter sogar besser, seine individuellen Wünsche in klarem Deutsch zu Papier zu bringen und von beiden Seiten unterzeichnen zu lassen. Wer sich stattdessen lieber eines langen Formularvertrags zu bedienen möchte, den er bei Google gefunden hat, dem sei zu Vorsicht geraten. Gute Verträge sind wie guter Code: Sie funktionieren ohne wesentliche Bugs. Wenn sich aber ein Laie an den Rechner setzt, entsteht nichts Gutes. Das ist beim Programmieren nicht anders als beim Schreiben von Verträgen. Es gibt keine Lösung, die auf alle Situationen passt – schlimmstenfalls versteht man die Hälfte der Begriffe falsch und schießt sich ein Eigentor. Besonders beliebt im Agenturbusiness sind Vertragsstrafen und Haftungsklauseln. Jeder meint, er müsse so etwas in seinen Vertrag schreiben. Tatsächlich ist es jedoch längst eine Wissenschaft, einen rechtssicheren und wirksamen Haftungsausschluss innerhalb der engen Grenzen vorformulierter Vertragsbedingungen zu schreiben. Wer meint, seine Verträge und AGB vollständig selbst schreiben zu müssen, der handelt nicht klüger als der Kunde, der meint, er könne seine Website und seine AdWords-Konten alle selbst betreuen. Es mag derartige Multitalente geben, sie sind jedoch noch seltener zu finden als ein Yeti.
Bereits der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass bestimmte Punkte in Verträgen besonders wichtig sind. Auftraggeber fahren daher gut mit klaren Leistungsvorgaben an ihre Auftragnehmer bei gleichzeitig schwammigen Vergütungsregelungen. Auftragnehmer haben dann einen Vorteil, wenn sie unklare Leistungsvorgaben formulieren, aber klare Fälligkeiten für ihre Vergütung. Irgendwo dazwischen bewegt sich dann ein ausgewogener Vertrag.
The Honeymoon’s Over: Now What? – Wann gibt es Kündigung, Rücktritt und Schadensersatz?
Wenn es nun um die eingangs innigliche Beziehung zwischen Agentur und Auftraggeber derart schlecht bestellt ist, dass man miteinander gar nicht mehr arbeiten kann und neben Kündigung des Vertrages auch die Zahlung von Schadensersatz für unfreiwillige Vermögensverluste im Raum steht, wird schnell der Ruf nach einem Rechtsanwalt laut.
Wer als Agentur verspricht, eine Website zu optimieren und auf „Platz 1 bei Google“ zu bringen oder ähnlich ambitionierte Versprechen abgibt, der muss sich an derartigen Zusicherungen festhalten lassen und spürt bei Nichterfüllung seiner Verpflichtungen dann auch schnell die Härte des Rechts. Bei Pflichtverstößen, die nicht lediglich unerheblich sind, kann ein Vertrag in der Regel gekündigt werden. Daneben kann der Auftraggeber auch Schadensersatz fordern, wenn die Agentur schuldhaft ihre Pflichten verletzt oder eben bestimmte Zusicherungen nicht einhält.
Rechtmäßigkeit als „eiserne Pflicht“ der Agentur – Was umfasst das Pflichtenprogramm aus dem Agenturvertrag?
Kommt es zum Streit, kennen mitunter selbst die Agenturen nicht den Umfang der eigenen Vertragspflichten. Das ist natürlich suboptimal. Viele Unternehmer und Freelancer, die wir beraten, fallen aus allen Wolken, wenn man ihnen mitteilt, wofür sie bereits von Gesetzes wegen einzustehen haben. Zu den wichtigsten Punkten zählt dabei die Rechtmäßigkeit von Werbemaßnahmen, z.B. hinsichtlich Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht. Diese Rechtmäßigkeit der eigenen Leistung gehört nach Auffassung der Gerichte zu den sogenannten „Kardinalspflichten“ oder auch „eisernen Pflichten“ einer Agentur. Ob man eine Website baut, ein Logo erstellt, eine Display-Anzeige designt, Meta-Descriptions schreibt oder einen Link setzt – in all diesen Fällen muss die Agentur sich darum kümmern, dass das gelieferte Ergebnis auch rechtmäßig ist. Ganz wichtig: Hier helfen auch Formularverträge und Haftungsausschlüsse nichts, denn Kardinalspflichten kann ich nicht in AGB auf den Kunden abwälzen. Hier trennt sich dann bereits die Spreu vom Weizen. Gut geschulte und erfahrene Werber erkennen die Risiken, haben ein waches Auge und fragen im Zweifel einen Experten, während Neulinge immer öfter teures Lehrgeld bezahlen müssen. Wenn man sich nicht absichern kann, weil das Geschäftsmodell auf riskantem Handeln basiert, muss man als Agentur oder Freelancer diese Risiken eben mit einpreisen. Wenn der Auftraggeber etwas wünscht, das man rechtlich für fragwürdig hält, kann man außerdem eine „Bedenkenanzeige“ senden und dem Auftraggeber mitteilen, dass man von der konkreten Maßnahme abrät und er, wenn er denn auf Biegen und Brechen mit der Maßnahme fortfahren will, diese auf eigenes Risiko durchführt. Das hilft zumindest im Einzelfall. Bei grauen oder schwarzen SEO-Geschäften, bei denen Rechtsbruch in Form von Link-Kauf und Schleichwerbung auf der Tagesordnung stehen und bei denen ganz offensichtlich mit rechtswidrigen Produkten geworben wird, kommt man damit aber nicht weiter. Manch ein Kunde, der durch manuelle Abstrafung durch Google plötzlich merkt, dass die teuer gekauften Links oder Advertorials nun nichts mehr wert sind, sondern schlimmer noch, plötzlich manuell entwertet werden müssen, fragt sich nun, ob er bei „seinem SEO“ das viele Geld zurückfordern kann. Das wird jedoch schwierig.
Black Hat heißt Geld weg – Vom Wert der Vorauskasse
Der Auftrag an eine Agentur, Links zu kaufen, Kommentar-Spamming zu betreiben, Schleichwerbung zu schalten oder nicht lizenzierte Bilder zu verwenden, ist bei Lichte betrachtet auf einen rechtswidrigen Erfolg gerichtet und damit unter Umständen nach § 134 wegen Gesetzesverstoßes bzw. nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. In einem solchen Fall ist der im Vorteil, der seine Vergütung schon erhalten hat, denn diese kann dann nicht zurückgefordert werden. Das wussten bereits die Römer und haben es in dem schönen Rechtssprichwort “In pari turpitudine melior est causa possidentis“ verewigt. Einfach mal googlen, der Erkenntnisgewinn ist garantiert.