Ich möchte Euch mit diesem Beitrag zu meiner Sicht auf den aktuellen Status Quo bezüglich Linkaufbau beschreiben und einige Beispiele vorstellen, die zeigen, dass Googles Linkspam-Algorithmus namens Pinguin bzw. Penguin entweder deutlich modifiziert wurde oder gar nicht mehr aktiv sein könnte.
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Pinguin Algorithmus von Google?
Pinguin wurde von Google im Jahr 2012 eingeführt, um die exzessive Linkkauf-Maßnahmen einzudämmen bzw. gekaufte Links besser zu identifizieren und Domains auf Keyword-Ebene abzustrafen. Viele SEOs gehen davon aus, dass die Häufigkeit mit der eine Zielseite mit harten Ankertexten bzw. Money Keywords verlinkt ist entscheidend dafür ist einen algorithmischen Penalty auszulösen. Ein genauer Schwellenwert von Häufigkeit oder Anteil an harten Linktexten wurde nie kommuniziert oder bewiesen.
Pinguin hat in den nachfolgenden Jahren die SEO-Branche nachhaltig verändert und nicht wenige SEO-Dienstleister haben Abstand von Linkkauf-Maßnahmen genommen.
Quo Vadis Backlinks?
Backlinks können immer immer noch ein wichtiger Rankingfaktor sein. Das wird von Google alle Jahre wieder bestätigt. Backlinks sind das reinste externe Signal für die Autorität einer Domain und die Relevanz einer Zielseite. Allerdings ist diese Aussage nur bedingt richtig. Also pauschal nicht richtig. Immer wieder zeigt die Praxis, dass auch Inhalte für Keywords in Top-Positionen ranken, die (noch)keine Links haben.
Google hat des öfteren bereits bestätigt, dass die Wichtigkeit von Backlinks als Rankingfaktor entscheidend vom Wettbewerbsumfeld und Suchanfrage abhängt. (siehe z.B. hier und hier)
In bestimmten Wettbewerbsumfeldern ist die Wahrscheinlichkeit einer organischen Verlinkung wahrscheinlicher als in anderen. Auch bei Keywords zu YMYL-Themen scheinen mir Backlinks hinsichtlich der höheren Gewichtung von E-A-T wichtiger als bei nicht-YMYL-Themen. Google hatte 2019 im Whitepaper „How Google fights Disinformation“ PageRank als E-A-T-Signal bestätigt. (siehe dazu Wie Google mit E-A-T, PageRank, Fact Checkern … Fehlinformationen bekämpft ).

Keyword-Difficulty in ahrefs
Eine erste Orientierung wie wichtig Backlinks für das Ranking eines Keywords sind, können Backlinkbasierte Umfeld-Werte wie z.B. die Keyword-Difficulty von ahrefs sein.
Allerdings werden derartige Werte aufgrund einer quantitativen Basis errechnet, ohne Berücksichtigung der Qualität, Autorität und PageRank der verlinkenden Domains und Inhalte.
Die Linkpopularität, also die schiere Anzahl an Backlinks spielt laut Google aber keine Rolle. (siehe hier)
Zudem kann eine starke Verlinkung auch die Folge eines guten Rankings sein und nicht der Grund für das gute Ranking. Eine typische Henne-Ei-Thematik.
Google betont immer wieder, dass der Kontext bzw. die thematische Relevanz der verlinkenden Seite entscheidend ist, wie stark ein Link wirkt (siehe z.B. hier und hier)
Das sind alles Aussagen, die dazu beitragen solche Tool-Werte mit der nötigen Skepsis zu betrachten. Wir nutzen sie in der Agentur als ersten Hinweis, um genauer hinzusehen.
Der Traffic den ein Link transportiert soll hingegen irrelevant für die Bewertung eines Backlinks sein (siehe z.B. hier und hier )
Link-Arten bzw. Formen des Linkaufbaus
Ich unterscheide zwischen 4 Formen von Link-Arten bzw. des Linkaufbaus:
- Owned Links
- Self Placed Links
- Paid Links
- Earned Links
Owned und Self-Placed Links haben den Vorteil, dass sie i.d.R. keinen großen Aufwand und auch kein Budget benötigen. Sie können selbst platziert werden und sind damit skalierbar zu erzeugen. Sie haben aber in Bezug auf die Relevanz-Optimierung einer Internetpräsenz keinen großen Einfluss. Sinnvoller Linkkauf kann wirksam sein, verstößt aber gegen die Google-Richtlinien bzw. müssen mit dem no-follow-Tag versehen werden, was die Wirksamkeit wieder dämpft. Die Königsdisziplin des Linkaufbaus sind die Earned Links, die meist über Content–Marketing-Maßnahmen organisch erzeugt werden. Der große Nachteil hierbei: Linkaufbau über Content-Marketing ist nicht skalierbar. Zudem ist Content-Marketing ein Instrument der Unternehmenskommunikation und weniger des Linkbuildings bzw. für SEO-Zwecke gedacht. Mehr dazu im Beitrag Content-Marketing ist kein Linkaufbau & SEO!
Verlinkungen zur Entitäten-Identifikation
Modernes Linkbuilding berücksichtigt Grundlagen der Semantik als auch die Bedeutung von Offpage-Signalen für die Autorität / Marken-Stärke einer Website. Im ersten Schritt helfen Google externe Verlinkungen zu einer Webseite bei der Identifizierung der Entität, die hinter einer Domain steht. So können Backlinks Google helfen eine Domain als digitales Abbild einer Entität (z.B. Unternehmens-Entität oder Personen-Entität) schneller zu erkennen. Backlinks aus den eigenen Unternehmensprofilen z.B. in sozialen Netzwerken, Einträge in Webkatalogen, Branchenbüchern … mit entsprechenden Brand-Ankertexten und konsistenten Unternehmens-Angaben können Google helfen die Beziehung zwischen den verschiedenen Unternehmensprofilen und der Domain schneller zu erkennen. Generell können laut Google beidseitige Verlinkungen der Domain oder einzelnen Beiträgen z.B. zu den Social-Media-Profilen der Autoren helfen Beziehungen und Kontext sowie thematische Autorität zu ermitteln wie hier von Google erläutert.
Pinguin-Status-Quo: Beispiele aus der Praxis
Google wird nicht müde zu betonen, dass SEOs und Webmaster sich zu viel mit Linkaufbau beschäftigen (siehe hier ) und warnt davor Backlinks zu kaufen, da sie gekaufte Links schon sehr gut erkennen können (siehe hier und hier).
Das ist die Suppe, die sich Google mit der Verkündung von PageRank und damit Backlinks als Rankingfaktor vor gut 20 Jahren eingebrockt hat.
Doch wie ist der Stand heute und sind Googles Aussagen nur (Krisen-)PR, um den Fokus weg vom Linkaufbau zu führen?
Ein Blick auf einige aktuelle Beispiele zeigt, wie mächtig Links und deren Ankertexte (wieder) aktuell sein könnten. Als Google Pinguin im Jahr 2012 einführte waren zu viele harte Ankertexte ein mögliches Signal für die algorithmische Abstrafung durch den Pinguin-Algorithmus. Die folgenden zwei Beispiele zeigen, dass Pinguin in der Form gar nicht mehr im Einsatz ist oder der Schwellenwert deutlich erhöht wurde.
In den Top 3 für den Begriff „customer journey“ ranken Inhalte, die qualitativ und vom Umfang her deutlich hinter den anderen Inhalten abweichen. Während alle anderen Inhalte vom Umfang her deutlich im vierstelligen Bereich liegen hat der Inhalt auf Position 1 nur 350 Wörter anzubieten. Der Inhalt wird hier nicht entscheidend für das Ranking sein. Ein Blick auf die verlinkenden Links und deren Linktexte zeigen mit 50% bis 63% sehr hohe Anteile an harten Ankertexten.
Auch beim Keyword „suchmaschinenoptimierung“ sehen die Linkprofile der Top rankenden URLs sehr unorganisch aus.
Ein weiteres Beispiel gefällig?
Ein Blick auf die Backlinkprofile der Marktbegleiter, die zum Keyword „seo agentur“ in den Top 3 ranken gibt ein ähnliches Bild. Da reicht die Dichte der harten Ankertexte der Backlinks von 10% bis 64%. Gerade bei einem solch kommerziellen Keyword ist eine solche Dichte an harten Ankertexten sehr ungewöhnlich bzw. unorganisch.
Ein Blick in diese Backlinkprofile lässt mich als Content-getriebenen SEO sehr ernüchtert zurück. Zudem kommen viel der betrachteten Verlinkungen aus Umfeldern, die thematisch nicht wirklich passen.
Es ist nicht klar, ob die Backlinks und deren Ankertexte ausschlaggebend für die guten Positionen sind. Eine Korrelation lässt sich aber erahnen. Aber da Korrelation nicht Kausalität ist können die Links und Ankertexte gar nicht berücksichtigt werden. Dann würde es aber auch bedeuten, dass offensichtlich nicht natürliche Ankertext-Verteilungen kein Grund mehr für eine Abstrafung via Pinguin ist.
Wieder zurück in der SEO-Steinzeit?
Diese Beispiele lassen Erinnerungen an die äußerst spammige Pre-Pinguin-Zeit aufkommen. Die Sichtbarkeits-Entwicklung der entsprechenden Domains lässt vermuten, dass der Einfluss solcher Signale vielleicht durch die Core-Updates wieder stark zugenommen hat.
Dadurch wäre meine Thesen bzw. Hoffnungen aus dem Jahr 2014 zumindest zum Teil widerlegt:
Deswegen sollten sich SEOs und SEO-Agenturen damit auseinandersetzen inwiefern Offpage-SEO zukünftig noch ihren Kernkompetenzen entspricht und ob dieses Kapitel nicht für sie der Vergangenheit angehören sollte. Diese Erkenntnis ist von hoher Brisanz, wenn man bedenkt, dass Linkaufbau bzw. Offpage-Optimierung jahrelang eine sichere Einnahmequelle vieler SEO-Agenturen war und immer noch ist.
Damit will ich übrigens nicht sagen, dass Links in Zukunft irrelevant werden, allerdings verlieren sie ihre bisherige Stärke, da auch andere Offpage Signale eine größere Rolle spielen werden.
Die aktuellen Beobachtungen finde ich etwas ernüchternd, da Google hier gerade wieder SEO zurück in die Steinzeit befördert und die Ranking-Algorithmen in Bezug auf Backlinks schon deutlich weiter sein sollten.
Ich habe John Müller in einem Diskussions-Panel im Rahmen der E-Commerce-Week gefragt, ob Pinguin noch aktiv ist? Laut seiner Einschätzung ist der Algorithmus noch aktiv. Dann muss Pinguin betrunken sein oder sich auf einer harten Entziehungskur befinden. Wir hoffen, dass es ihm bald besser geht.
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